4 Jahre anonyme / pseudonyme Simkarten: Ein Erfahrungsbericht

Hinweis: Dauerwerbesendung 😉 In diesem Artikel werden verschiedene Dienstleister*innen erwähnt mit denen aber keine Kompensationen verhandelt wurden.

Ich nutze jetzt seit ca. 4 Jahren anonyme bzw. pseudonyme Simkarten und möchte meine Erfahrungen damit gerne auf diesem Weg weiter geben. Immer wieder bekomme ich Anfragen zu diesem Thema. Wo bekomme ich solche Karten? Worauf muss ich achten? Sind sie wirklich anonym?

​Warum das ganze?

Seit dem 1. Juli 2017 ist es in Deutschland nicht mehr möglich, anonyme Prepaid-SIM-Karten zu erwerben. An diesem Datum trat eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes in Kraft, die Mobilfunkanbieter*innen verpflichtet, die Identität von Käufer*innen solcher Karten zu überprüfen und zu registrieren. Ziel dieser Maßnahme war es, die anonyme Nutzung von Mobiltelefonen durch «Kriminelle» und «Terrorist*innen» zu erschweren.

Was allerdings als kriminell und Terrorismus gilt ist sehr schwammig. Immer wieder geraten Menschenrechtsaktivist*innen, Regimekritiker*innen oder Umweltaktivist*innen in den Fokus von Ermittlungen. Besonders von Bedeutung ist hier z.B. der §129 StGB, der umfangreiche Überwachungsmaßnahmen bereits in initialen Ermittlungen erlaubt.

Zahlreiche Überwachungsmaßnahmen beginnen mit einer Telefonnummer. Für zahlreiche Behörden in Deutschland ist es ganz einfach möglich ohne einen richterlichen Beschluss an die Telefonnummer einer Person zu kommen. Dafür gibt es Schnittstellen und Datenbanken, welche die Mobilfunkanbieter*innen bereitstellen müssen. Dies wird auch oft als «Behördentelefonbuch» bezeichnet.

Deine Telefonnummer kann daher ganz direkt genutzt werden für:

  • Stille SMS – Eine SMS, die heimlich an ein Handy geschickt wird, ohne dass der Empfänger sie bemerkt, um über die Verkehrsdaten den Standort oder Bewegungsprofile zu ermitteln.
  • IMSI-Catcher – Ein Gerät, das sich als Mobilfunkmast ausgibt, um Handys in der Nähe zu identifizieren und Kommunikation abzufangen.
  • Bestandsdatenauskunft – Abfrage von Kundendaten wie Name, Adresse oder Kontoverbindung bei Telekommunikationsanbietern.
  • Verkehrsdatenauskunft – Zugriff auf Verbindungsdaten wie Zeit, Dauer, beteiligte Nummern oder IP-Adressen, ohne den Inhalt der Kommunikation.
  • Funkzellenauswertungen – Analyse, welche Handys sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle befanden, z. B. am Tatort.
  • Quellen-TKÜ – Überwachung von laufender Kommunikation direkt auf dem Gerät (z. B. Chatnachrichten), bevor sie verschlüsselt wird.
  • Staatstrojaner – Spionagesoftware, die heimlich auf Geräten installiert wird, um Kommunikation mitzulesen oder Daten auszulesen.
  • Einfaches Abhören – SMS können gelesen und Telefonaten können mitgeschnitten werden

Meine Nutzung anonymer Karten ist also ein Experiment, das helfen soll derartige Überwachungsmaßnahmen einzugrenzen. Machen wir uns nichts vor: Die Änderung des Telekommunikationsgesetzes 2017 führt nicht dazu, dass schwerste Straftaten verhindert werden. Stattdessen werden die Maßnahmen auch genutzt, um gesellschaftliche Proteste zu unterdrücken und Menschen einzuschüchtern.

Pseudonymität vs Anonymität

Ich verwende die Begriffe anonyme Simkarte und pseudonyme Simkarte analog. Warum? Weil es letztlich in deiner Verantwortung liegt, ob eine Karte pseudonym oder anonym ist. Kaufen kannst du pseudonyme Karten. Ob du damit aber anonym bleibst bestimmt maßgeblich dein Verhalten.

Lass uns erst mal darauf schauen, wie diese anonymen bzw. pseudonymen Simkarten überhaupt funktionieren. Letztlich sind das in Deutschland ganz normale prepaid-Simkarten. Irgendwer hat sie an einer Ladenkassen gekauft und bezahlt und dann mit dem eigenen Identitätsnachweis auf den eigenen Namen registriert. Danach ist die Karte freigeschaltet und wird von der Person einfach verkauft.

Das bedeutet, dass die Karte erst mal pseudonym ist. Wenn Behörden also den Namen zu der Nummer ermitteln, landen sie bei der Person, die diese Karte initial registriert hat und nicht bei dir.

Die Karte kann dir aber theoretisch helfen zusammen mit anderen Maßnahmen Anonymität im Mobilfunknetz zu erreichen. Zum Beispiel, wenn du sie nach dem Kauf mit anderen Personen tauschst, um den Postweg zu verschleiern. Anonymität bedeutet, dass es nicht möglich ist über die Simkarte direkt oder indirekt auf deine Person zu schließen.

Hier eine Liste von Maßnahmen die helfen können Anonymität zu erreichen:

Die Liste ist noch länger. Du kannst auf https://smartphone-dont-spy.de noch mehr zu dem Thema erfahren.

An dieser Stelle merkst du vielleicht, dass Pseudonymität relativ einfach ist. Anonymität ist jedoch schwieriger, weil du dafür dein Verhalten anpassen und viel neues lernen musst.

Trotzdem: Schon allein pseudonyme Simkarten erschweren ermittelnden Instanzen die Arbeit ganz erheblich. Schon an dieser Stelle ist es nicht mehr so leicht einfach festzustellen wer, wann und wo eine dieser Karten nutzt.

Woher bekommst du anonyme oder pseudonyme Simkarten in Deutschland?

Ich selbst habe inzwischen einen Vorrat solcher Karten und habe schon seit ca. zwei Jahren keine mehr gekauft. Ich nutze sie inzwischen rotierend.

Vereinfacht gesagt kannst du sie einfach im Internet bestellen. Schaue einfach bei Ebay oder bei Kleinanzeigen. Oder frag die Suchmaschine deiner Wahl. Dann findest du auch spezialisierte Shop bei denen du bestellen kannst. Ich habe eine dieser Websiten von langer Zeit auch mal getestet.

Trotzdem musst du beim Kauf vorsichtig sein. Da ist manchmal auch Scam dabei. Bestelle also lieber erst mal eine für wenig Geld zum Testen und schreib mir gerne, deine Erfahrungen dazu.

Mir ist wichtig nicht direkt Werbung für einzelne Angebote zu machen. Wir sollten immer auch kritisch darauf schauen. Bei einer Analyse solcher Simkarten konnte ich vor einer Weile die Namen der registrierenden Personen ermitteln. Anhand der Namen entstand für mich der Eindruck, dass vermutlich häufig migrantische Personen solche Karten registrieren. Ob teilweise auch ausbeuterische Verhältnisse dahinter stecken kann ich nicht sagen, muss aber auch in Betracht gezogen werden.

Was du mit einer anonymen bzw. pseudonymen Simkarte nicht tun solltest

Du solltest die Karte ausschließlich nutzen, um dich selbst passiv zu schützen. Nutze die Karte daher nicht für deinen nächsten Banküberfall oder für Spaßanrufe bei den Behörden. Bitte denke daran, dass hinter jeder Karte ein echter Mensch mit seinem Namen steht. Ich möchte auf keinen Fall, dass bei irgendwem Nachts die Wohnung gestürmt wird, weil irgendwer diese Karten missbraucht.

Welche Karten nutze ich im Alltag?

Ich selbst nutze pseudonyme Prepaid-Karten von Lyca. Da habe ich gerade das Gefühl, dass ich fast an allen Supermarktkassen Guthaben dafür bekomme. Außerdem kann ich von dem Guthaben via USSD-Code (Das sind spezielle Tastencodes auf der Telefontastatur) das Guthaben direkt vom Kassenbon aufladen und sogar monatliche Internet-Flatrates buchen. Ich nutze oft die 2GB-Flat für ca. 5 € / Monat. Ich kann also komplett ohne App Tarife buchen, mein Guthaben und verbleibendes Datenvolumen checken sowie Guthaben aufladen. Es kann sein, dass es auch inzwischen mehr GB sind. Ich müsste den Tarif evtl. mal wieder kündigen und neu abschließen.

Sicher gibt es auch andere Anbieter*innen mit ähnlichen Angeboten. Da müsst ihr einfach etwas ausprobieren.

Mit welchen Telefonen nutze ich diese Karten?

Ich nutze diese Simkarten aktuell nur in relative alten Fairphone2 Smartphones. Auf Kleinanzeigen gibt es immer mal wieder größere Bestände. Die Kosten pro Gerät liegen bei so ca. 20 €. Ich habe viele Ersatzteile und kann damit relativ schnell auch kaputte Smartphones reparieren. Ich nutze dafür e/OS und habe auf diesem Telefon weder Daten noch Kontakte und auch keine sonstigen Apps.

Jede Simkarte bekommt bei mir ein separates Smartphone. Die Karte verbleibt dauerhaft in den Telefonen. Es sei denn eines geht mal kaputt. Dann tausche ich das Gerät aus. Auf diese Weise muss ich die Geräte nur alle zwei Monate einmal einschalten und eine Website besuchen.

Wofür nutze ich die Geräte?

Wenn ich unterwegs bin kann ich mir einfach eines der Geräte nehmen und hotspotte mir für mein reguläres Smartphone damit einfach Internet. In meinem «richtigen» Smartphone ist keine Simkarte eingelegt.

Eines der Geräte nutze ich außerdem für reguläre Telefonate und habe auch die dazugehörige Nummer im Umlauf. Ihr seht also: Anonym bin ich mit diesem Gerät zwar nicht, aber trotzdem grundlegend geschützt.

Die anderen Geräte nutze ich hauptsächlich für Registrierungen bei diversen Web-Services und Apps, die unbedingt eine Mobilnummer erfordern. Diese Nummern bleiben allerdings geheim und werden nicht an meine Kontakte weiter gegeben. Das rotiere ich einfach durch und notiere mir in meinem Passwortmanager die verwendete Nummer an den jeweiligen Services.

Hast du gewusst, dass die meisten Apps, die eine Telefonnummern brauchen, auch dann funktionieren, wenn die Simkarte nicht direkt im Hauptgerät eingelegt ist? Du bekommst dann einfach einen Verifizierungscode auf das Zweitgerät mit Simkarte und kannst dir so z.B. Signal oder WhatsApp einfach auf deinem Hauptgerät freischalten.

Gesellschaftliche Herausforderungen

Leider entsteht oft komplette Verwirrung bei meinen Kontakten. Ich nutze in allen Chat-Apps andere Nummern. Viele Leute verstehen nicht, dass meine Signal-Nummer eine andere ist als meine WhatsApp-Nummer. (Ich nutze WhatsApp übrigens nur mit einem Emulator auf Linux, aber das ist ein anderes Thema^^) Und sie verstehen auch nicht warum sie mich nicht einfach auf den Nummern der Chat-Accounts anrufen können oder warum sie mir keine SMS dorthin senden können. Denn die dazugehörigen Telefone sind ja die meiste Zeit einfach ausgeschaltet.

Dafür hab ich echt noch keine gute Lösung gefunden. Viele Leute haben eben nur eine einzige Nummer für alles und verstehen nicht, wenn wer davon abweicht. Aber eben genau das ist auch ein großes Problem.

Anonyme und pseudonyme Karten managen

Was oft vergessen wird ist das Management solcher Karten. Da es sich um Prepaid-Karten handelt verfallen sie typischerweise nach drei Monaten Inaktivität. Es reicht auch nicht aus einen Anruf oder eine SMS zu bekommen. Du musst oft aktiv Guthaben verbrauchen. Du musst also entweder telefonieren oder die Internetverbindung aktivieren und eine Website besuchen.

Da ich viele dieser Karten habe habe ich also alle zwei Monate ein «Meeting» mit meinen Simkarten im Kalender stehen. Ich mache das alle zwei Monate, damit ich noch etwas Puffer habe. Denn manchmal ist das Guthaben leer und ich muss erst neues beschaffen.

Titelbild: https://pixabay.com/de/photos/sim-karte-nano-sim-mikro-sim-1645646/